Erklärung zur „Volkszählung“ in Syrisch-Kurdistan

Der Vorsitzende der PYD-kontrollierten Verwaltung verkündete eine Volkszählung in den sogenannten Kantonen Dschazira, ‚Afrin und Kobanî. In einigen Städten und Ortschaften der Dschazira wurde diese schon durchgeführt. Bekanntermaßen hat jeder Volkszählungsprozess das Ziel, Informationen und Daten zu sammeln, um sie für zukünftige Aufbau- und Entwicklungspläne in unterschiedlichen Bereichen zu verwenden. Entscheidungen über solche Prozesse werden üblicherweise von legitimen Behörden getroffen. Die Durchführung obliegt unabhängigen Komitees und Fachkräften, normalerweise in Zeiten, da die Gesellschaft stabil ist und Sicherheit herrscht. Die zuständigen internationalen Organisationen werden zumeist über die Ergebnissen informiert.

Wenn wir die aktuelle Lage in Syrisch-Kurdistan objektiv betrachten, werden wir feststellen, dass die oben erwähnten Bedingungen nicht erfüllt sind. Weder Zeit und Raum noch die Methoden sind passend für diesen Prozess. Hinzu kommt, dass die Stelle, die diesen Zensus durchführen und beaufsichtigen soll, eine politische ist. Zudem geschieht dieser Prozess in einer Zeit, in der das Land und die Gebiete von außergewöhnlichen Umständen sowie Gewalt und Instabilität betroffen sind.
Mehr als die Hälfte der kurdischen Bevölkerung lebt momentan außerhalb ihrer Gebiete, in Ländern, in die sie auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit, Freiheit und Würde geflohen sind.
Die mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebiete in Nordsyrien sind immer wieder Ziele terroristischer Angriffe des IS und des Assad-Regimes, aber auch der Unterdrückungspraktiken der Partei der Demokratischen Union (PYD), darunter illegale Festnahmen, Einschränkungen von Medien- und Meinungsfreiheit und Zwangsrekrutierungen von Jugendlichen für die PYD-Milizen YPG/YPJ. Die Konsequenzen sind wellenartige Fluchtbewegungen der kurdischen Bevölkerung, die eine Bedrohung für die demografischen Besonderheiten der Region darstellen. Darüber hinaus suchen Zehntausende Syrer aus anderen militärisch umkämpften Gebieten Zuflucht in den mehrheitlich kurdischen Gebieten.
Überdies dürfen Unterdrückungspolitik und diskriminierende Gesetze des diktatorischen syrischen Regimes und der Baath Regierungen gegen die Kurden nicht vergessen werden, insbesondere die willkürliche Sondervolkszählung von al-Hasaka und deren „Maktumin“ Opfer sowie das Projekt des „Arabischen Gürtels“ und die Ansiedlung von sogenannten „Machmurin“. Die Folgen für die syrischen Kurden und ihre Gebiete sind bis heute zu spüren.

IN der Gesamtschau wird deutlich, dass Sinn und Zweck der aktuellen Volkszählung nicht die Produktion verlässlicher und verwertbarer Bevölkerungsstatistiken ist, sondern politische Ziele dahinter stecken. Darum fürchten sowohl die kurdische Bevölkerung als auch andere soziale Gruppen, dass der Zensus die demografischen Veränderungen legitimieren soll, welche täglich stattfinden und die Identität und das Dasein der kurdischen Bevölkerung bedrohen.

Der Kurdische Nationalrat in Syrien verkündet seine Ablehnung dieser Volkszählung und betont, dass er die Ergebnisse nicht anerkennen wird. Zugleich fordert der KNR von der PYD den Zensus sowie alle einseitigen Entscheidungen und politischen Praktiken, die unserem Volk schaden, zu stoppen. Wie appellieren an die internationale Gemeinschaft und die zuständigen Organisationen, solche Aktivitäten zu verhindern und alles dafür zu tun, dass die Kurden von ihren existenziellen Ängsten befreit werden. Die kulturellen und politischen Rechte von Kurden müssen anerkannt werden, allerspätestens wenn Frieden, Sicherheit und Stabilität – Ziele nach alle Syrer verfolgen – erreicht sind.

Generalsekretariat des Kurdischen Nationalrats in Syrien
Al-Qamischli, 20 September 2016