KNR fasst Pläne zur Wiedereröffnung seiner Büros

Wie wir berichteten, kam es seit Mitte März erneut zu einer heftigen Welle von Verhaftungen und Schließungen der Büros von Mitgliedsparteien des Kurdischen Nationalrats in Syrien (KNR) und anderer kurdischer Organisationen. Wie bereits im August 2016 wurden etliche Personen durch Sicherheitskräfte der PYD / YPG verschleppt. Zusätzlich wurden zahlreiche Büros zertrümmert, angezündet und im Anschluss von den Sicherheitskräften versiegelt (siehe Bericht vom 16. März 2017).

ausgehängte und zerbrochene Tür liegt quer in Raum, Graffiti an Wänden, Stühle, teilweise umgeworfen
Eines der verwüsteten KNR Büros in Qamişlo

Seit dem Wochenende hat die Zahl der Verhaftungen abgenommen, vereinzelt wurden auch Verschleppte freigelassen. Die Atmosphäre fundamentaler Unsicherheit bleibt nichtsdestotrotz für die kurdische Bevölkerung Syriens bestehen. Während die Büros des KNRs und der Assyrischen Demokratischen Organisation, die beide bei den Verhandlungen in Genf mit der arabischen Opposition kooperieren, weiter geschlossen bleiben, erhielt einem Bericht von Yekiti Media zufolge die Kurdische Demokratische Fortschrittspartei in Syrien die Erlaubnis der PYD, ihre Büros wieder zu öffnen. Die Erlaubnis sei erteilt worden, ohne dass der Aufforderung der PYD zur Parteienregistrierung nachgekommen worden sei, obwohl diese Verweigerung als der ursprüngliche Anlass der Verhaftungen und Schließungen gilt. Dies lässt Rückschlüsse auf die vermutlich zugrundeliegenden Motive für das Agieren der PYD und YPG in den vergangenen Wochen zu.

Muhsen Tahir sprach mit Ashanews über die Entscheidungen des KNR Generalsekretariats
© Ashanews

Unabhängig von den beschriebenen Repressionen führt der KNR seine politische Arbeit fort und plant die Wiedereröffnung seiner Büros. Muhsen Taher, Sprecher des KNR für Kommunalräte, erklärte in einem Interview gegenüber Ashanews, das Generalsekretariat des KNRs habe bereits Entscheidungen bezüglich der Instandsetzung, Restrukturierung und Wiedereröffnung seiner Büros getroffen. Alle Formen friedlicher politischer Aktivität würden auch weiterhin im In- und Ausland fortgeführt. Diese Entscheidungen gehen auf die erste reguläre Sitzung des KNR Generalsekretariats seit Beginn der Schließungen durch die PYD zurück, die am 24. März 2017 stattfand. Ebenfalls in dieser Sitzung wurde über Möglichkeiten der Ausweitung der Aktivitäten des KNR entschieden. Einerseits ist eine erweiterte Öffnung in Richtung der nationalen Opposition angedacht, andererseits soll vor allem die politische Vision des KNR von einem demokratischen, parlamentarischen und föderalen Syrien, das das Kurdische Volk in seiner Verfassung anerkennt und seine Rechte in Übereistimmung mit internationalen Abkommen und Konventionen gewährt, weiter verfolgt werden.
Auch die Praktiken und Aktivitäten der PYD der letzten Tage wurden intensiv diskutiert. Der KNR will sich nicht nur um die Instandsetzung und Wiedereröffnung seiner Büros bemühen, sondern sich auch aktiv gegen die Repressionspraktiken stellen, bis diese eingestellt und alle Gefangenen freigelassen werden.

Aufnahme der Tabqa Talsperre von 2012
© Adamkou

Aufgrund der kürzlich rund um Damaskus, Hama und andernorts erneut ausgebrochenen Kämpfe sowie der Gefahr, die ein Zusammenbruch des bei Gefechten stark beschädigten Tabqa-Staudamms am Euphrat bedeuten würde, bleibt die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und der Medien für politische Repressionen und Rechtsverletzungen in den kurdischen Regionen gering. Kurdische Syrer in Deutschland haben  deshalb am 25. März in einer (vom Komitee gegen den Terror der PYD/PKK in Syrisch-Kurdistan organiserten) Protestaktion vor dem PYD Büro in Berlin auf die Situation aufmerksam gemacht und forderten eine Listung der PYD und ihres militärischen Arms als terroristische Organisation.
Für die Gesamtsituation Syriens sind die Kämpfe in den oben genannten arabischen Gegenden derzeit Schwerpunkt der Berichterstattungen. Insbesondere der bedenkliche Zustand des laut Berichten des libanesischen Fernsehsenders Al-Mayadeen bereits teilweise eingestürzten Staudamms Tabqa am Euphrat macht die andauernden Kämpfe in dieser Region zu einer Bedrohung für ganz Syrien. Zum einen ist die Versorgung mit Strom und Wasser zu weiten Teilen von diesem größten Staudamm des Landes abhängig; der Betrieb des Kraftwerks sei laut Al-Mayadeen infolge eines Beschusses der Steuerung bereits eingestellt worden. Zum anderen droht eine Überflutung durch die im Frühling Syrien erreichenden Wassermengen. Außerdem befürchten Mitglieder der arabischen Opposition weitreichende Repressionen auch der arabischen Bevölkerung in den umkämpften Gebieten.
Ohne die Geschehnisse in den arabischen Landesteilen und ihre Auswirkungen für ganz Syrien außer aucht zu lassen, sehen wir es als unsere Aufgabe, auch weiterhin die Situation in den mehrheitlich kurdischen Regionen und die Einhaltung der Menschenrechte vor Ort zu beobachten und darüber zu berichten.

Capacity Building: Kurdischer Nationalrat in Syrien
31. März 2017