Fünfte Verhandlungsrunde in Genf bringt interne Differenzen zum Vorschein

Vom 23. bis 31. März 2017 fand in Genf die fünfte Gesprächsrunde seit Wiederaufnahme der Gespräche 2016  statt. Geplant war, die vier grundlegenden Themen Übergangsregierung, Wahlen, Verfassung sowie den Komplex Anti-Terror / Sicherheit / Vertrauensbildung zu behandeln. Dabei sollte es darum gehen, einen Zeitplan zu entwickeln und organisatorische Fragen zu klären, um so die Transition Syriens voranzutreiben. Im Verlauf der Gesprächsrunde legte der UN Sondergesandte Staffan de Mistura ein Non-paper vor, in dem eine detaillierte Agenda für die Diskussionen der verschiedenen Themen vorgeschlagen wird. Er betonte in seiner Abschlussrede jedoch, dass die Non-paper, die die UN gerne verwendet, als Input für die Diskussionen gedacht seien und daher nicht veröffentlicht werden. Er äußerte sich erfreut darüber, dass in den einzelnen Baskets letztendlich doch mehr Inhalte und weniger die Form und Prozedur der Transition diskutiert wurden.

Staffan de Mistura begrüßt Naser Al-Hariri, den Delegationsvorsitzenden des HNC © UN Photo / Violaine Martin

Hawas Sadoon, Vertreter des KNRs in der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte und Mitglied des Beratungskomitees der Oppositionsdelegation, bestätigte in einem Gespräch am 29. März  jedoch den Eindruck, dass die Delegierten des Regimes in den Verhandlungen gezielt versuchten, durch das Einbringen abseitiger Fragestellungen vom Thema Transition abzulenken. So habe Russlands Vizeaußenminister, Gennadi Gatilof, den Delegationsvorsitzenden des Hohen Verhandlungskomitees, Naser al-Hariri, nach den Gründen dafür befragt, warum es noch immer keine einheitliche Delegation der Opposition gebe. Dass die Kairo- und Moskau-Gruppen und die Astana-Gruppe in der Oppositionsdelegation nicht vertreten sind, diene, so Gatilof, dem Regime als Rechtfertigung, die Umsetzung der UN-Resolution 2254, die eine einheitliche Oppositionsdelegation vorsieht, zu verzögern. Entsprechend hatte sich Baschar Al-Jaafari, Vorsitzender der Delegation des Regimes, zuvor geäußert. Die Kairo- und Moskau-Gruppen definieren sich als Teil der Opposition, sind jedoch – wie auch die Astana-Gruppe –  nicht Mitglied des Hohen Verhandlungskomitees. Ihre Mitglieder vertreten teils dezidiert andere Positionen als das HNC, etwa hinsichtlich des unbedingten Rücktritts von Baschar al-Assad.

Vertreter der Kairo-Gruppe bei den Gesprächen in Genf.

Die Opposition forderte Gatilof auf, Druck auf das Regime auszuüben, die Verhandlungen ernster zu nehmen und der UN Resolution nachzukommen. Da der kurdische Nationalrat seine Teilnahme an den Verhandlungen ausgesetzt hat, bis die Delegation der Opposition sich klar zu seinen Forderungen nach Behandlung der kurdischen Frage in den Verhandlungen bekennt, sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterführung derselben allerdings ungünstig.

Kurz vor Beginn der fünften Gesprächsrunde hatte der KNR ein Dokument veröffentlicht,  das die stärkere Präsenz der Vertreter der kurdischen Bevölkerung sowie weiterer Bevölkerungsgruppen in den Verhandlungen fordert. Dieses Papier sorgte für Spannungen im Hohen Verhandlungskomitee, da einige Sprecher der arabischen Opposition die Forderungen der kurdischen Delegierten als inakzeptabel bezeichneten. Der KNR-Delegierte Abdulhakim Baschar kündigte den Austritt des KNR aus den Verhandlungen an, sollte die Opposition die Forderungen der kurdischen Vertreter nicht akzeptieren.

De Mistura beim Gespräch mit dem HNC © UN Photo / Violaine Martin

Am 30. März schließlich gaben  Dr. Abdulhakim Baschar, Mitglied des Hohen Verhandlungskomitees, Fuad Aliko, Mitglied der Verhandlungsdelegation, und Hawas Sadoon, Mitglied des Beratungsteams, ihren vorläufigen Rückzugs aus der aktuellen Verhandlungsrunde bekannt. In ihrer Erklärung stellen sie die Glaubwürdigkeit des Hohen Verhandlungskomitees infrage, das sich schriftlich  zur Wahrung der Rechte der Kurden und anderer Bevölkerungsgruppen verpflichtet habe. Solange kein intensiverer Dialog möglich sei und die kurdische Frage sowie die Anliegen weiterer Bevölkerungsgruppen jenseits der arabischen  keine Beachtung fänden, sei die weitere Teilnahme KNR an der jetzigen Verhandlungsrunde nicht sinnvoll. Die Vertreter des KNR erklärten weiter, sich an keinerlei in ihrer Abwesenheit getroffene Beschlüsse und verabschiedete Dokumente gebunden zu fühlen.

Capacity Building: Kurdischer Nationalrat in Syrien
Berlin, April 2017