Der „Exekutive Rahmen“ bringt weder Frieden noch Gleichberechtigung

Am 7.September 2016 veröffentlichte das Hohe Verhandlungskomitee (HNC) in London ein Dokument mit dem Namen „Executive Framework for a Political Solution“, das seinen Entwurf der Übergangsphase in Syrien darstellt. Ab Montag, dem 19.September will eine Delegation des HNC bei der 71. Sitzung der UN Generalversammlung für dieses Papier werben ohne die Vorbehalte, welche der Kurdische Nationalrat in Syrien (KNR) und sein Vertreter im HNC vorgebracht haben, zu berücksichtigen.

Der KNR erklärt deutlich, dass dieses Dokument nicht Teil einer Lösung ist, sondern eine Gefahr für ein demokratisches, pluralistisches und vereintes Syrien, das die kulturellen, sozialen und politischen Rechte von allen ethnischen, religiösen und linguistischen Komponenten absichern möchte.
Wer das Dokument liest, bemerkt sofort, dass Punkt 1 der „General Principles“ ausschließlich die arabische Kultur und den Islam als Quellen „for intellectual production and social relations“ aufzählt. Diese Definition schließt sehr deutlich andere Kulturen – seien sie ethnisch, linguistisch oder religiös – aus und legt die Kultur der Mehrheit als die maßgebliche fest.

Als syrische Kurden fühlen wir uns abgelehnt durch dieses enge Verständnis des syrischen Volkes. Die Ähnlichkeiten zwischen dieser Definition und den chauvinistischen Grundsätzen unter dem Assad Regime sind unbestreitbar.

Im Gegensatz dazu fordert der KNR die Beachtung und Förderung einer friedlichen, kulturellen Vielfalt in Syrien durch eine sichtbare Anerkennung aller Teile des syrischen Volkes and durch den Schutz gleicher Rechte für diese.

Folglich lehnt der KNR ab, dass der „Executive Framework“ Arabisch als einzige offizielle Sprache benennt ohne die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass andere Sprachen, wie z.B. Kurdisch oder Syrisch-Aramäisch in bestimmten Gebieten, wo sie von breiten Teilen der Bevölkerung gesprochen werden, zur zweite offiziellen Sprache erklärt werden können.
Außerdem, und obwohl die meisten Syrer Muslime sind, wie das Dokument beschreibt, gibt es auch Anhänger anderer Religion, z.B. Christen und Jesiden, sowie Nicht-Gläubige. Das ist einer der Gründe, warum der KNR dringend dazu rät, Säkularismus als ein Prinzip des politischen Systems aufzunehmen (Punkt 4, General Principles).

Des Weiteren begrüßt der KNR, dass die Bestimmungen in den Punkten 5 bis 7 der General Principles versuchen unterschiedlichen Gruppen des syrischen Volkes kulturelle und religiöse Rechte sowie den Kurden ethnische und linguistische Rechte zu gewähren. Jedoch erwähnt keiner dieser Punkte explizit politische Rechte. Auch werden keine anderen Minderheiten neben den Kurden bezeichnet. Die Zuerkennung von gleichen politischen Rechten für alle Syrer ist unabdingbar für unsere Zukunft.

Zu guter Letzt, sollte sich jeder darüber bewusst sein, dass das vorgeschlagene System der administrativen Dezentralisierung (Punkt 8, General Principles) sowie die Regelung über die Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit im Falle eines fehlenden Konsens‘ (Punkt 11, General Principles) nicht zum Schutz von Minderheiten führen wird, sondern zu der Dominanz der arabischen Mehrheit in Syrien. Andere Syrer werden keine Chance haben, die Politik wesentlich zu beeinflussen.

Nur eine Form der Dezentralisierung, die Entscheidungsbefugnisse auf unterschiedliche Ebenen verteilt (z.B. lokal, regional, national), wie es föderale Strukturen tun, kombiniert mit einem starken Bewusstsein für Demokratie kann eine aussagekräftige Beteiligung aller Teile des syrischen Volkes gewährleisten. Das konnte deutlich in zahlreichen Konfliktlösungen gezeigt werden.
Zudem betrachtet es der KNR als notwendig, dass das Konsensprinzip in Fragen, die Minderheiten als Minderheitengruppen betreffen, nicht aufgehoben werden kann. Die derzeitigen Formulierungen ermöglichen eine zentralisierte autoritäre Herrschaft der Mehrheit über Minderheitengruppen. Demzufolge kann dieses Dokument weder (sozialen) Frieden noch Demokratie schaffen.

Entsprechend dieser genannten Vorbehalte kann der KNR das besprochene Dokument nicht als verbindlich betrachten. Der KNR appelliert an die internationale Gemeinschaft Position dafür zu beziehen, dass ethnische, religiöse und linguistische Vielfalt, Gleichberechtigung, politische Dezentralisierung und Demokratie essentielle Teile jedweder Übereinkunft werden, welche die Übergangsperiode und die Zukunft von Syrien strukturiert.

Sollte die internationale Gemeinschaft den potenziellen Ausschluss der syrischen Kurden von politischer Partizipation in ihrem Land – eine Option, die in keiner Weise vom „Executive Framework“ des HNC ausgeschlossen wird – zulassen, so sähe sich das kurdische Volk nicht nur schweren Zeiten gegenüber, sondern würde wahrscheinlich auch schwierige Entscheidungen für ihre Zukunft treffen müssen.

18.September 2016
Genfer Büro des Kurdischen Nationalrats in Syrien