PYD-Gewalt gegen den KNR erreicht neues Hoch

Seit  Dienstag, dem 14.03.2017, haben die Sicherheitskräfte der Partei der Demokratischen Union  (PYD) in Qamişlo, Efrîn, Kobanî, Amûdê, Dirbêsî, Hisiça (Hasaka), Dêrik, Serê Kaniyê, Girkê Legê sowie weiteren Städten in Syrisch-Kurdistan zahlreiche Mitglieder des Kurdischen Nationalrats in Syrien (KNR) verschleppt und willkürlich inhaftiert. Mindestens vierzig Menschen wurden seitdem festgenommen. Neben den Verhaftungen kam es auch zu Angriffen auf Büros des KNR und seiner Mitgliedsparteien. Mehr als zwanzig Büros wurden zunächst in Brand gesetzt oder demoliert und anschließend von Sicherheitskräften des PYD versiegelt. Auch die Organisation Assyrischer Demokraten in Hisiça (Hasaka) erlitt dasselbe Schicksal. Aufgrund der zahlreichen Berichte über Menschenrechtsverletzungen und Folter in den Gefängnissen der PYD fürchtet der KNR um die Unversehrtheit seiner in Haft genommenen Mitglieder.
weiße Tür mit rotem Graffiti, das den Eingang durchkreuzt, rechts oben angeheftetes Dokument mit Stempeln
Die beschmierte und versiegelte Tür des KDP-S Büros in Tirbesipî mit Versiegelungsurkunde (oben rechts)
 
Bereits zwei Tage vor Beginn der massiven Übergriffe hatte die PYD die Parteien des Kurdischen Nationalrats aufgefordert, sich innerhalb von 24 Stunden registrieren zu  lassen – ansonsten würden ihre Parteibüros geschlossen und die  Verantwortlichen festgenommen. Die Parteien des Kurdischen Nationalrats verweigern sich dieser Aufforderung, da für die Registrierung keine unabhängige Kommission  zuständig ist. Vielmehr besteht die Kommission aus Regierungsvertretern der drei Kantone Cezîrê (Dschazira), Efrîn und Kobanî. Diese  Regierungen wurden weder gewählt, noch von einer repräsentativen  Vertretung kurdischer Parteien eingesetzt, sondern sind auf letztlich  unbekannte Weise aus der im November 2013 eingerichteten  Übergangsverwaltung entstanden. Die Übergangsverwaltung wiederum wurde  laut PYD von fünfzig Organisationen eingesetzt, deren Identität nie  publik gemacht wurde. Die wenigen Gruppen, die namentlich genannt  wurden, stehen entweder der PYD nahe oder sind gänzlich unbekannt. Die in einem 2014 erlassenen Gesetz zur Registrierung der Parteien  festgelegten Verfahrensweisen sollen ein demokratisches Prozedere  suggerieren. Faktisch entscheidet jedoch die PYD über die Zulassung  anderer Parteien. 
Zerstörtes Mobiliar im Inneren eines Büroraums
KNR Büro in Serê Kaniyê nach den Übergriffen
Dass die PYD gerade zum jetzigen Zeitpunkt die Befolgung des im April 2014 von ihr erlassenen Gesetzes einfordert und auf die Verweigerung des KNR mit ungebremster Gewalt reagiert, legt einen Zusammenhang zu den seit Mitte März ausgebrochenen Kämpfen im Sindschar (Kurdistan –Irak) nahe. Zwischen den in Sindschar stationierten PKK-Kämpfern und den dorthin  von der Regionalregierung Kurdistan–Irak verlegten Roj-Peschmerga kam es in der vergangenen Woche zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.
 
Eingangstür und Wand mit Brandflecken, daneben Logo der PYKS
Angezündetes Büro der Kurdischen Einheitspartei in Syrien (Yekîtî) in Amûdê
Der massive Anstieg von Repressionsmaßnahmen der PYD gegen den KNR und die Angriffe der PKK auf die Roj-Peschmerga müssen als Antwort von PYD und PKK auf die aktuell verstärkten Bemühungen des KNR interpretiert werden, eine  Rückkehr der Roj-Peschmerga nach Syrien zu erreichen. Eine Delegation  des KNR warb kürzlich unter anderem in den USA für diese Lösung. Die etwa 5.300 Roj-Peschmerga, eine Truppe aus syrischen Kurden, die in Kurdistan–Irak ausgebildet wurde und dem KNR untersteht, kämpen derzeit im Irak  gegen den Islamischen Staat (IS). Der KNR fordert die Rückkehr seiner Kämpfer nach Syrisch-Kurdistan. Dort könnten sie zum einen die Region gegen den IS schützen. Zum anderen würde ihre Anwesenheit das  Gewaltmonopol der PYD brechen, die mit den Volksverteidigungseinheiten (YPG) und dem Asayiş bislang als einzige politische Partei über  bewaffnete Kräfte verfügt. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte der PYD gegen den KNR und seine Anhänger macht deutlich, dass sie einer  Verlegung der Roj-Peschmerga niemals zustimmen und ihren Alleinvertretungsanspruch mit aller Gewalt durchsetzen werden.
Zerbrochene Fensterfront gibt Blick auf bestuhltes Besprechungszimmer frei
KNR Büro, Girkê Legê
 
ausgehängte und zerbrochene Tür liegt quer in Raum, Graffiti an Wänden, Stühle, teilweise umgeworfen
Eines der verwüsteten KNR Büros in Qamişlo
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Büros des KNR und seiner Mitgliedsparteien, die seit dem 14.3.2017 von PYD Anhängern angegriffen und von Sicherheitskräften der PYD versiegelt wurden:
 
Dirbêsî 
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Demokratische Partei Kurdistans – Syrien (PDK‑S)
 
Dêrik
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Demokratische Partei Kurdistans – Syrien (PDK‑S)
 
Girkê Legê
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Demokratische Partei Kurdistans – Syrien (PDK‑S)
Kurdische Einheitspartei in Syrien (Yekîtî)
 
Hisiça
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Kurdische Demokratische Einheitspartei in Syrien
 
Til Temr
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Kulturforum Cegerxwîn
 
Serê Kaniyê
Kurdischer Nationalrat in Syrien
 
Kobanî 
Kurdischer Nationalrat in Syrien
 
Qamişlo 
Kurdischen Nationalrat in Syrien (drei Büros)
Demokratische Partei Kurdistans – Syrien (PDK‑S)
Kurdische Reformbewegung – Syrien
Kurdische Einheitspartei in Syrien (Yekîtî)
 
Amûdê
Kurdischer Nationalrat in Syrien
Kurdische Einheitspartei in Syrien (Yekîtî)
 
Tirbesipî 
Demokratische Partei Kurdistans – Syrien (PDK‑S)