Bericht einer Entführung

Von Nashaat Zaza, Mitglied des Politbüros der Demokratischen Partei Kurdistan-Syrien

Am 5. Oktober 2017 nahm ich an einem Treffen der KDP-S in Dêrik (arab. Al-Malikiya) teil. Ebenfalls anwesend waren einige Mitglieder des Zentralkomitees, sowie weitere Mitglieder des Politbüros.

Bereits während unserer Zusammenkunft rief uns ein Kollege an und informierte uns, dass unser Treffen seit eineinhalb Stunden von einer Patrouille der YPG beobachtet werde. Kurze Zeit später beendeten wir unser Treffen. Aufgrund der Warnung waren wir auf das vorbereitet, was uns beim Verlassen des Hauses erwartete. Wir entfernten uns mit unseren Autos vom Gebäude, als uns nach nur fünfhundert Metern ein weißer Pick-Up und ein weißer Lieferwagen mit verdunkelten Scheiben entgegen kamen. Mehrere maskierte YPG-Mitglieder in Uniform stiegen aus den Fahrzeugen. Die Milizionäre ließen uns alle aussteigen und befahlen uns, unsere Mobiltelefone sowie unsere Ausweise abzugeben. Danach durchsuchten sie unsere Autos, währenddessen tätigten sie ständig Anrufe. Nach der Kontrolle fragte mich einer: „Nashaat, wo ist dein Handy?“ Ich erwiderte: „Weiß ich nicht mehr! Ich habe es entweder bei mir zu Hause oder bei Freunden liegen lassen.“ Da ich mein Handy bereits vor der Kontrolle versteckt hatte, konnten sie es nicht finden.

Wir wurden dann gezwungen, in den Lieferwagen einzusteigen. Dort wurde ein Gruppenfoto von uns gemacht. Mit ironischem Unterton sagte einer der YPG Mitglieder „zum Andenken!“. Nur die beiden Frauen, die bei uns waren, konnten in unseren Autos bleiben und wurden nicht fotografiert. Einer der Maskierten gab mir schließlich meinen Ausweis zurück und sagte „Du kannst zusammen mit den Frauen gehen, aber es ist dir verboten, noch einmal nach Dêrik zu fahren!“. Ich stieg in das Auto und fuhr langsam los in Richtung Dirbêsî (arab. Ad‑Darbasiya). Ich brachte zunächst eine Kollegin zu sich nach Hause. Hinter mir fuhren in zwei PKWs einer meiner Kollegen sowie eine weitere Kollegin, um im Falle weiterer Vorkommnisse vor Ort zu sein. Und tatsächlich, es passierte genau das, was wir befürchtet hatten.

Kurz nachdem wir Dêrik verlassen hatten, wartete erneut eine Patrouille auf uns und verlangte unsere Ausweise. Mein Parteikollege im zweiten PKW teilte der Miliz mit, dass wir die Ausweise kurz zuvor bereits einer anderen Patrouille gezeigt hatten. Die YPG-Mitglieder erkundigten sich telefonisch zu dieser Aussage und mein Kollege konnte kurz darauf weiterfahren. Mich hingegen ließen sie aussteigen und verlangten mein Handy. Ich erwiderte: „Ich habe kein Handy.“ Vier junge Männer durchsuchten sowohl mich, als auch mein Auto. Danach brachten sie mich zu einem Lieferwagen. Bevor ich einstieg, wurde mir ein Sack über den Kopf gestülpt, sodass ich nicht mehr wusste, wohin wir fuhren. Während der Fahrt stellten sie mir Fragen bezüglich unseres Treffens. Ich antwortete, dass dies kein offizielles Treffen gewesen sei, sondern dass wir lediglich einen Parteikollegen besucht hätten, der vor kurzem einen Unfall hatte. Einer der Entführer sagte daraufhin: „Du lügst! Ein Besuch dauert höchstens eine Stunde.“ Ich erwiderte, dass wir uns ausführlich über die allgemeine politische Situation in Syrien, der Türkei und in Russland, über das Regime und die Milizen unterhalten hätten. Wieder sagte mir jemand „Du lügst“ und schlug mir ins Gesicht. Er sagte weiter: „Hör gut zu! Wir wissen von deinen Tätigkeiten. Es ist dir untersagt Dêrik zu betreten. Du wirst das nicht verstehen, außer mit dem Tod.“ Dies alles geschah während der Fahrt. Ein weiteres YPG-Mitglied fügte hinzu: „Du äußerst dich negativ über die Medien und über die Märtyrer.“ Ich erwiderte: „Ich habe nichts Negatives gesagt. Das können Sie nicht beweisen.“ Da schlug er mich ein weiteres Mal ins Gesicht und redete auf mich ein, bis wir anhielten.

Ich konnte mich nicht orientieren und wusste nicht, wo ich war. Sie zwangen mich auszusteigen. Einer der Entführer lud seine Pistole und sagte: „Nur durch den Tod wirst du es verstehen.“ Er zog mich etwa zehn Meter vom Auto weg und befahl einem anderen, den Sack von meinem Kopf zu ziehen. Dann befahl er mir: „Steig ein!“ Ich stand neben meinem eigenen Auto. Er gab mir den Schlüssel und den Ausweis zurück und sagte: Wenn wir dich noch einmal in Dêrik entdecken, wirst du die Folgen spüren. Jetzt, hau ab!“